Von Inuvik ans Eismeer & nach Herschel Island

Flug über das Mackenzie Delta

Vor einigen Wochen habe ich Euch den ersten Teil der spannendsten Reise meines Lebens vorgestellt, die von Whitehorse über den Dempster Highway bis nach Inuvik führte. Das war allerdings nur der Anfang einer Reise, die mir unvergesslich bleibt. Noch beeindruckender war meine Reise von Inuvik ans Eismeer und weiter mit dem Buschflugzeug nach Herschel Island in der Beaufort Sea. Inuvik ist der nördlichste Punkt der Nordwestterritorien, der im Sommer über eine Straßenverbindung zu erreichen ist. Hier endet der Dempster Highway, die – je nach Wetterbedingungen – staubige oder schlammige Piste, die von der Klondike Region in die Ölstadt in den Nordwestterritorien führt. Wer im Sommer noch weiter reisen will, der muss fliegen, sich zu Fuß in die Wildnis wagen oder mit dem Boot auf dem Mackenzie River weiter reisen. Im Winter beginnt hier die Eisstraße, die jedes Jahr wieder während der kalten Jahreszeit die Stadt mit Tuktoyaktuk an der Beaufort Sea verbindet.

 

Von Inuvik ans Eismeer

 

Von Inuvik ans Eismeer und mit dem Buschflugzeug nach Herschel Island

Wir entscheiden uns fürs Fliegen, und zwar nehmen wir uns zwei Flüge vor: einmal wollen wir zur Inuit Olympiade in Tuk, wie die Einheimischen das Inuitdorf Tuktoyaktuk liebevoll nennen. Unser zweites Ziel ist Herschel Island, wo einst die Walfänger die Winter in der Arktis verbrachten. In Tuktoyaktuk war ich bereits auf früheren Reisen. Daher kannte ich es schon, dass vereinbarte Flugzeiten im hohen Norden nicht unbedingt verbindlich sind. Und so war es auch diesmal. Wir sollen vormittags abfliegen zu unserem Besuch bei einer Familie in Tuk, die uns ihre Stadt und die Ereignisse während der Inuit Olympiade erklären sollen. Aber der Flug verzögert sich: wir warten – und warten – und warten. Auf unsere Anfragen, warum sich der Abflug verzögert, heißt es nur lapidar: „Das Flugzeug wird für andere Zwecke benötigt.“ Und so warten wir weiter. Nach einigen Stunden – schließlich wollen wir den Abflug ja nicht verpassen, sollte das Flugzeug doch plötzlich verfügbar sein – heißt es dann endlich: „Wir fliegen.“ Was der Grund für die Verzögerung war, habe ich nicht herausgefunden. Aber unser Aufenthalt in Tuk entwickelte sich trotzdem zu einem spannenden und hochinteressanten Aufenthalt auf unserer Reise von Inuvik ans Eismeer.

Von Inuvik ans Eismeer

Wir werden empfangen von Maureen Pokiak, einer freundlichen Frau aus Saskatchewan, die, wie sie uns erzählt, eigentlich als Lehrerin nach Tuktoyaktuk kam. Hier lernte sie ihren Mann James kennen, einen waschechten Inuit, der noch heute einen Teil des Sommers damit verbringt, auf Robbenjagd zu gehen, um Vorräte für den Winter anzulegen. Die beiden betreiben außerdem ein kleines Tourunternehmen – Oopik Tours – und zeigen Besuchern ihren Ort und dessen Umgebung. Zusammen mit ihm begleitet sie uns heute zu den Circumpolar Games, einer Art Inuit-Olympiade, die jedes Jahr an einem anderen Ort der Arktis ausgetragen wird. Wir schauen zu bei den Geschicklichkeitsübungen, die in der Welt der Inuit die sportlichen Wettkämpfe anderer Olympischer Spiele ersetzen: da geht es darum, sich mit einer Hand vom Boden abzustemmen und mit der anderen ein hoch hängendes Felltier zu erreichen – der One-Hand-Reach. Oder es gibt den One-Foot-High-Kick, bei dem der Athlet ein über seinem Kopf aufgehängtes Felltier mit einem Fuß berühren muss. Der Sieger ist derjenige, der die höchste Position erreicht. Das sind Wettkämpfe der Männer während der Inuit Olympiade. Die Frauen wetteifern eher um Alltägliches: bei ihnen geht es darum, wer am schnellsten einen Lachs zerlegt und ähnliche Dinge.

Anschließend nimmt uns Maureen mit zu sich nach Hause, wo wir regionale Spezialitäten probieren dürfen. Dazu gehört Muktuk oder Maktaaq. Das ist die dicke Haut der Wale, die in Stücke geschnitten wird und geräuchert wird. Sie ist einer der Vitamin-Lieferanten der Menschen in der Arktis, wachsen dort doch keine anderen vitaminhaltigen Erzeugnisse. Und Muktuk besitzt mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte, ist also gut, um Skorbut zu verhindern. Es gilt in der Arktis bis heute als ein besonderer Leckerbissen, und wir dürfen es probieren. Es schmeckt ein wenig nach Nuss.

James zeigt uns die Kühlanlagen von Tuktoyaktuk. Diese sind nichts anderes als in den Permafrostboden gegrabene Gänge, zu denen man über einen tiefen Schacht hinunter klettert. Jede Familie im Dorf besitzt ihre eigene Kühlkammer, in der das ganze Jahr über Fleisch gelagert wird. Im Sommer kein Problem, aber im Winter, wenn die Polarbären in der Nähe sind, stelle ich mir den Besuch beim Kühlschrank des Dorfes schon etwas beängstigend vor. James macht uns auch auf die seltsam aussehenden Hügel in der Umgebung von Tuk aufmerksam: „Das sind Pingos“, sagt er, und lacht. „Die Frostbeulen des Nordens.“ Damit hat er nicht Unrecht, denn sie entstehen wirklich in den Polarregionen, wo der Dauerfrostboden dafür sorgt, dass sich diese seltsamen Hügelformen bilden.

Von Inuvik ans Eismeer

Nach einem interessanten Tag auf unserer Reise von Inuvik ans Eismeer fliegen wir zurück nach Inuvik und freuen uns schon auf unseren zweiten Ausflug, den wir für den nächsten Tag geplant haben. Diesmal geht es nach Herschel Island, einer Insel in der Beaufort Sea, dem Eismeer. Die Insel besitzt eine Bucht, die im Winter Schutz vor den arktischen Stürmen bietet. Dies machten sich einst die Walfänger zunutze, die nach der kurzen Sommersaison nicht die lange Heimreise um den amerikanischen Kontinent antreten wollten, sondern sich hier für den Winter einrichteten. Wir haben es einfacher: wir fliegen – diesmal pünktlich, wie vereinbart – von Inuvik über die Weiten der Tundra. Zwei Stunden lang sehen wir unter uns nichts als immer wieder Seen, in denen ab und zu zwei weiße Punkte zu erkennen sind. „Das sind Trompeterschwäne“, erklärt uns unser Pilot. „Die sind territorial und haben jeweils einen See für sich.“ Ein Highlight auf unserem Flug am Rand des Eismeers entlang ist ein Grizzly, der sich, offenbar gestört vom Lärm unseres Flugzeugs, einfach ins Gras plumpsen lässt und uns während unseres Überflugs gebannt mit den Augen verfolgt.

 

Von Inuvik ans Eismeer

 

Auf Herschel Island angekommen landen wir in der kleinen Bucht vor ziemlich verwittert aussehenden Gebäuden. Unser Pilot zieht das Wasserflugzeug an Land, und wir klettern etwas wacklig über im Wasser liegende Baumstämme. Einen Anlegesteg gibt es hier nicht. Hier ist alles, bis auf die paar Gebäude, unberührte Natur. Das sehen wir auch sofort, als uns – völlig ohne Scheu – ein Karibu über die Hügel entgegenkommt und uns neugierig zuschaut, wie wir an Land gehen. Wir werden empfangen von einem Ranger, der den Sommer hier Dienst tut. Auf meine Frage, ob er denn auch zwischendurch zurückkommt in die Zivilisation, antwortet er: „Erst wieder im Herbst, wenn die Saison vorüber ist.“ Ein einsames Leben abseits jeder Hektik. Er erklärt uns, dass die Häuser zum Teil noch Überreste der Walfängersiedlung sind. In einem Lagerhaus sehen wir Fässer, in denen das Walöl gesammelt wurde. Und er zeigt uns die üppige Blumenvielfalt, die jeden Frühsommer die Tundra zu einem wahren Farbmeer macht. Alles Blumen, von denen ich bisher noch nie etwas gehört habe, und von denen jede ihre eigenen Strategien entwickelt hat, wie sie in der harten Umwelt der Arktis überleben kann. Ein wahres Wunderwerk der Natur, das wir hier kennenlernen.

 

Von Inuvik ans Eismeer

Mit völlig neuen und abenteuerlichen Eindrücken fliegen wir nach einigen Stunden zurück nach Inuvik und beobachten dabei die Mitternachtssonne, wie sie am Horizont entlangwandert, aber nicht dahinter verschwindet. Sie taucht die Region in ein ganz besonderes Licht, das dem Erlebten seinen ganz eigenen Stempel aufdrückt. Dies und die unglaubliche Stille des Nordens sind es, die mir unvergesslich im Gedächtnis bleiben von unserer Reise in die kanadische Arktis von Inuvik ans Eismeer.

Quelle: eigene Recherchen vor Ort (diese Reise von Inuvik ans Eismeer wurde von niemandem unterstützt)

Text: Copyright Monika Fuchs, TravelWorldOnline
Fotos: Copyright Monika Fuchs, TravelWorldOnline (Sorry für die schlechte Qualität der Fotos. Das sind eingescannte Dias. Sie entstanden zu einer Zeit, als ich noch keine Digitalkamera hatte.)

Dieser Artikel über unsere Reise von Inuvik ans Eismeer nimmt teil an der Blogparade „Reisende am Ende der Welt„. Dort gibt es noch weitere interessante Beiträge zu diesem Thema.

Von Inuvik ans Eismeer & nach Herschel Island

2 Gedanken zu „Von Inuvik ans Eismeer & nach Herschel Island

  1. Das ist ja ein ganz phantastisches Abenteuer! Vielen Dank für den neuen Floh, der nun ganz tief in meinem Ohr sitzt und sich sicherlich von Zeit zu Zeit bemerkbar macht. Ich werde mich weiter auf dieser tollen Seite umsehen. Danke für die Inspiration!

    1. Liebe Annik,

      dieser Floh ist ganz besonders hartnäckig :) Obwohl ich inzwischen schon dreimal auf dem Dempster Highway unterwegs war und mir die Region um Inuvik schon mehrmals angeschaut habe, würde ich am liebsten sofort ins Flugzeug steigen und mir noch mehr ansehen. Das ist eine ganz besondere Gegend, die einen nicht mehr loslässt.

      Liebe Grüße,
      Monika

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